Donnerstag, 23. Mai 2019

zurück nach Mordor

"Kaum ein anderes Land entfacht so viel Furcht in den Herzen der Menschen und Elben wie Mordor, der Name des Landes Saurons. Die beißenden Dämpfe in der Ebene Gorgoroth, die trockenen Länder Nurns oder die Spitzen der Ephel Duath, sie alle waren schrecklich."
Nun, seit anno 2003 in "Die Rückkehr des Königs" der Ring der Macht im Feuer des Schicksalsberges vernichtet und Sauron ins Reich der Schatten verbannt wurde, ist es nicht mehr gar so furchterregend in Mordor-Tongariro.

Die zentrale Vulkanregion Neuseelands hat als Drehort für Teile der Filmtrilogie "Der Herr der Ringe" sicherlich an Popularität gewonnen. Wir selbst wanderten ja bereits beim Tongariro-Crossing am Fuße des Schicksalsberges Mount Ngauruhoe. Im Internet finden sich einige deutschsprachige Berichte von Touristen, die Mount Ngauruhoe oder Mount Ruapehu erstiegen haben. Man muss offensichtlich kein erfahrener Alpinist sein, um hinauf zu kommen.
Ich möchte also dorthin. Nachdem meine Holde ausgiebig Küstenregionen und Strände besucht hat, ist sie auch bereit, Gegenden mit ausgeprägterem Höhenprofil aufzusuchen. Es gibt wie zumeist keinen ausgemachten Plan, die Idee ist nur, in diese Region zu fahren, um zu sehen, was sich unter den vorgefundenen Bedingungen "so ergibt".


Wir verlassen Auckland in Richtung auf unsere Zwischenunterkunft in Kihikihi.

Unterwegs macht sich der unheilvolle Einfluss Saurons doch bemerkbar ...
 ... Reifenpanne - und Notradmontage.


Mit Verspätung erreichen wir Kihikihi ...
 ... und unsere Unterkunft bei Christin und Sara.



Der Folgetag führt uns zunächst zurück in den Nachbarort mit Reifenwerkstatt.
Für die Versicherung zunächst ein Foto mit einer hilfsbereiten Polizistin ...
 ... und dann erfolgt der Reifen- und Rädertausch.


Auf dem Weg nach Tongariro bezieht sich der Himmel ...
 ... und im Ort Whakapapa "saut es" nur noch vor sich hin (hier an den Talstationen des Skiareal etwas oberhalb des Dorfes).

Whakapapa ist die einzige Siedlung inmitten des Tongariro-Nationalparks, etwa zwischen Mount Ngauruhoe und Mount Ruapehu gelegen und fast ausschließlich touristisch geprägt. Im Winter Unterkunft für Besucher des nahegelegenen Skiareals, im Sommer Ausgangspunkt für Wanderungen.

Bei diesem Wetter ...
 ... kann man eigentlich nur ins Besucherzentrum gehen. Vielleicht gibt es hier Auskünfte zu Aufstiegsmöglichkeiten?
Da bin ich am Ende leider genauso schlau wie vorher. Offiziell heißt es:
"The crater climb is only suitable for fit, experienced, and well equipped people who can make effective judgments about alpine and volcanic hazards. The unformed route up Ruapehu to the crater is not marked, and is in high altitude terrain. You must be confident finding your own safe route up and down the mountain."

Ein Mitarbeiter (mit Maori-Wurzeln) erklärt mir, dass der Ruapehu spirituelle Bedeutung für sein Volk besitzt, dass das Wetter der nächsten Tage nicht besser werden soll und er daher von einem selbstständigen Aufstieg nur dringend abraten kann. Wegbeschreibungen oder Karten werden nicht zur Verfügung gestellt.
Ich bin enttäuscht. Meine Aufstiegspläne sind damit wohl passé. Bei dem Wetter kann man wirklich nicht viel machen. Die Geschichte mit der Spiritualität glaube ich nicht so ganz, es werden ja geführte Touren angeboten. Vielleicht geht es auch darum, den Bergführern Beschäftigung zu verschaffen. Sei es so oder so, ohne Aufstiegsinfos wird es schwer, den Weg nach oben zu finden.

Zunächst also zur Unterkunft  nach Rangataua, auf der anderen Seite des Ruapehu.
Von hier aus ist es etwas mehr als eine Fahrstunde nach Whakapapa zum Einstieg in die Wanderung. Die Chancen auf Verwirklichung des Vorhabens Ruapehu sinken weiter.
Die Unterkunft ist modern und praktikabel eingerichtet, die Hunde freuen sich über jemanden, der mit ihnen spielt ...
 ... und vor allem, im Schlafzimmer hängt eine große Karte der Region.

Wow, wow, wow - die Karte zeigt eine weitere Aufstiegsmöglichkeit, beginnend am Turoa-Skifeld in "nur" 21km Entfernung. Meine Laune wird besser!
Jetzt muss sich nur noch das Wetter berappeln. Es regnet in wechselnder Intensität und ob der tiefhängenden Wolken ist nicht erkennbar, wo der Mount Ruapehu eigentlich liegt. 


Der nächste Morgen. Mount Ruapehu hält sich immer noch versteckt, aber es regnet nicht mehr. Der Wetterbericht prophezeit mehr Wolken als Sonne und für den Nachmittag ein hohes Risiko für Schauer. Aber erst einmal starten, wer weiß, wie es wird.

Und hurra - es wurde ... !

Am der Talstation des Skifeldes war ich zu früher Stunde noch allein.

Der eigentliche Gipfel ist nicht zu sehen, aber die Grundrichtung ist klar: aufwärts.
Zunächst folge ich einer der Skipisten.


So richtig sieht man immer noch nicht, wo es entlang gehen soll. (Nachträglich, beim Abstieg wird deutlich, dass ich fast die optimale Route gewählt habe.)
Die höchste Bergstation der Liftanlagen ist erreicht, ab jetzt gilt es den eigenen Weg zu finden. Und auf diesem Weg ist bald ein Schneefeld zu überwinden.

Nicht das erste Schneefeld auf dieser Reise, also kein Problem - dachte ich. Nur dass durch den Regen und den Nachtfrost die Oberfläche des Schneefeldes hart und glatt war. Wer dort ins Rutschen kommt ... !!
Dieses 30m Schneefeld hat mich etwa 20min gekostet. Jeden Tritt vorher mit den Spitzen der Treckingstöcke "ausgepopelt". Hier bräuchte es Eisspikes für die Schuhe.

Vielleicht 200 Höhenmeter aufwärts wurde die Aufstiegsgeschwindigkeit erneut eingebremst. Der nächtliche Regen war hier als Schnee niedergegangen. Bei jedem Tritt war also zu prüfen, was sich unter dem Schnee verbarg, ein solider Felsbrocken oder ein kippeliger Stein. Letztlich brachte der lockere Schnee im Gegensatz zum festen Schneefeld aber keine wesentliche Beeinträchtigung mit sich.

Der Gipfel ist noch immer nicht sichtbar, der Blick aber bereits großartig.
 (Übrigens, in der Flutrinne am rechten Bildrand wälzten sich 2007 und 1953 Schlammlawinen zu Tal, das Ereignis von 1953 kostete 151 Menschen das Leben.)

Immer wieder treibt der Wind Wolkenfetzen gegen den Berg. Aber nur selten erreichen sie meine Höhe. Insgesamt ist das Wetter unerwartet aufstiegsfreundlich.

Und dann geht es nicht mehr in ursprünglicher Richtung weiter, eine Kammlinie ist erreicht. Links wird endlich der Gipfel sichtbar, nur ca. 200m und 50 Höhenmeter entfernt. Meine Mundwinkel kennen nur noch eine Richtung - aufwärts. Mit breitestem Grinsen erreiche ich die Bergspitze und damit den wohl erhebendsten Augenblick dieser Reise.

Über dem Kratersee wogen Nebel vom Winde getrieben auf und ab, ein eindrucksvolles Schauspiel.

Mit dem "Tahurangi" (so heißt diese Bergspitze) habe ich tatsächlich den höchsten Punkt des Ruapehu-Massiv erreicht. Der Aufstieg von Whakapapa aus hätte auf der gegenüberliegenden Kraterseite, 100 Höhenmeter tiefer auf dem "Dome" geendet. Um von dort aus zum Tahurangi zu kommen, sind einige vergletscherte Bereiche zu überwinden - und ohne Eisspikes an den Schuhen sollte man das sicher nicht angehen.

Später sehe ich noch eine Gruppe Gletscherwanderer, bleibe aber nicht so lange, um zu sehen, ob sie zum Tahurangi wollen.

Die Wegzehrung ist aufgebraucht, das Steinmänchen wurde ebenfalls gefüttert ...
 ... (mit neuen Steinen) und langsam macht sich bemerkbar, dass es auf 2797m auch im neuseeländischen Sommer trotz erträglichem Wind nicht wirklich warm ist. Wie immer an solch schönen Plätzen möchte man nicht zurück, aber die Vernunft gebietet (mit kräftiger Unterstützung durch Väterchen Frost) dann doch den Abstieg.

Der Lockerschnee ist etwas in sich zusammengefallen, die Spitzen vieler Steine werden sichtbar, es ist einfacher als im Aufstieg.

Noch einen Blick auf ein großes Schneefeld ...
 ... das kleine Schneefeld vom Aufstieg quert sich jetzt viel einfacher, die Sonne hat die Schneeoberfläche erweicht, jetzt lässt sich die Schuhkante durch kräftiges Aufsetzen des Fußes etwas in den Schnee eindrücken.

Die von oben so dekorativ aussehenden Wolken erweisen sich in der Innenansicht weniger blickfreundlich ...
 ... aber am Parkplatz ist die Wolkenschicht durchstoßen.

Ich unterhalte mich noch ein wenig mit einem Australier (dem Fotografen), der möchte morgen (vielleicht) bis zum ersten Schneefeld wandern. Interessanterweise hat es im Vorland des Ruapehu geregnet, so berichtet er. Weiter unterhalb ist die Straße auch tatsächlich nass.

Ich hatte also wirklich Glück mit dem Wetter. Der nächste Tag bescherte dem Ruapehu wieder Dauerregen, da wäre ich nicht gestartet.
Nur ein klitzekleiner Wunsch ist nicht in Erfüllung gegangen. Für einen Blick auf den 130km entfernten Taranaki war es dann doch zu wolkig.


Am Folgetag verlassen wir Mordor, fahren in einem Ritt zurück nach Auckland. Zurück in der Tongariro-Region bleiben Nieselregen und Wolken und bald haben wir wieder schönstes neuseeländisches Sonnenwetter.

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