Samstag, 25. Mai 2019

bunter Fluss in tiefer Schlucht

Immer wieder finden wir auf unserer Tour Hinweise auf die "Route 66". Sie genießt Berühmtheit, weil sie als erste durchgehend befestigte Straße eine Verbindung zwischen dem Straßennetz in der Mitte der USA mit dem im Westen herstellte.
Der Ort "Seligman" beansprucht sogar, Geburtsstätte dieser Straße zu sein. Worauf dieser Anspruch gründet, ist nicht erkennbar. Es sind einfach ein paar Häuser entlang einer Straße in der Steppe, weder besonders hübsch noch besonders häßlich, jedenfalls erkennbar darauf ausgerichtet, durchfahrende Touris zum Halt zu animieren (was in unserem Fall auch funktionierte).


Wir kehren ein bei Lilo's. Die durch das Werbeschild geweckte Vemutung ...
... es wäre ein deutsches Restaurant, erweist sich nur teilweise als zutreffend.
Hirschgeweihe und Kuckucksuhr prägen offenbar die hiesigen Vorstellungen vom deutschen Restaurant, davon abgesehen gibt es fast nichts aus der Heimat - bis auf Lilo selbst. Sie hat ihren Mann bei den US-Streitkräften kennengelernt und ist ihm über den großen Teich gefolgt. Offenbar war sie in letzter Zeit selten auf Verwandtenbesuch, ihr Deutsch ist "eingerostet".
Das Essen ist jedenfalls o.k., US-typisch beachtliche Portionen und eher deutsch-typisch ein ordentlicher Salat.

Nach dieser Stärkung geht es unspektakulär weiter ...
... nach Tusayan.
What Tusayan?
Gemach ... erst einmal anmelden am Campground.  Ach, also dort kann man einkaufen.  Sogar ein Kino gibt es hier, gleich in der Touristeninfo. Es wird zwar immer nur ein Film gezeigt, den gibt es aber auch in deutsch.
Mhmm, sollen wir jetzt noch los? Wird ja schon bald dunkel und morgen wollen wir sowieso dorthin.
Aber die wesentliche Ortsattraktion (ein Kreisverkehr am Ende einer wenig befahrenen vierspurigen Straße) haben wir bereits besichtigt. Also dann doch noch los.
Stromanschluss am Camper abgeklemmt, Motor gestartet, durch den Kreisverkehr, am Wärterhäuschen 80$ für einen Nationalpark-Jahrespass gelöhnt und nach ca. 11 km ist ein großer Parkplatz irgendwo im Wald erreicht, noch recht gut gefüllt für diese späte Stunde. Wir folgen den Hinweisschildern für wenige hundert Meter und dann:

Boah, wow, oijoijoi - irgendetwas an Urlauten quillt aus meinem Mund.
Wie beschreibt man ein solches Loch im Boden? Das Bild schafft es nicht.
Man tritt aus dem Schutz bietenden, lockeren Hochlandwald und steht unvermittelt an einer Kante, der Blick wird frei und schweift über einen Abgrund mit nicht erahnten Ausmaßen. Kaum lässt sich erfassen, dass es über einen Kilometer abwärts geht.  Aber nicht nur das. Diese Schlucht mit ihrer überwältigenden Tiefe und Breite hat ihr eigenes, anderes Leben, man schaut wie in eine unbekannte Welt.
Ich hoffe, jeder Besucher des Gran Canyons steht mit Ehrfurcht diesem großartigen Werk der Natur gegenüber und vielleicht erwächst daraus sogar etwas mehr Demut bezüglich der eigenen Existenz und die Bereitschaft, mehr für die Bewahrung unserer natürlichen Umwelt zu tun. (Bei letzterem bin ich leider etwas pessimistisch.)

Also, falls Ihr 'mal "zufällig" in der Gegend seid, schaut vorbei, es lohnt sich.

Dies war nur ein kurzer Abstecher, vielleicht 15 Minuten am Gran Canyon. Es wird dunkel und wir fahren zurück zum Campground nach Tusayan.
Die Nacht wird kalt, Tusayan liegt auf knapp 2000 m Seehöhe und es ist noch früh im Jahr.



Der nächste Morgen begrüßt uns sonnig aber mit Rauhreif. Da erleichtert die Heizung im Camper das Aufstehen ungemein.
Zum Frühstück können wir dank Stromanschluss das labberige Brot durch Toasten in einen genusswürdigen Zustand versetzen. Wobei die Grundvoraussetzung - erträgliches Brot - nicht ohne weiteres beschaffbar ist. An kaumuskelschonendes Labberbrot haben wir uns in Neuseeland bereits gewöhnt. In den USA kommt hinzu, dass sehr viele verarbeitete Lebensmittel mit Zucker vermanscht werden. Bei den meisten Brotsorten liegt Zucker in der Zutatenliste auf Platz 3, gleich hinter Mehl und Wasser. Für Zucker auf Platz 4 muss man schon suchen und bis zum Ende der USA-Tour haben wir nur eine Brotsorte gefunden, bei der Zucker erst auf Platz 5 auftaucht.

Heute bleiben wir am South Rim, der Südkante des Gran Canyon. Wobei dass ein wenig irreführend ist. Der Gran Canyon erstreckt sich über mehr als 400 km, der für Touris gut erschlossene Bereich in der Umgebung von Gran Canyon Village umfasst knapp 20 km entlang des South Rim. Eigentlich unternehmen wir einen ausgedehnten Spaziergang, etwa 10 km entlang der Kante.
Ein Teil dieses Weges ist als Geologielehrpfad ausgebaut. Man erfährt, dass sich über dem etwa 1800 Millionen Jahre alten metamorphen Grundgebirge in langen Zeiten (und wir sprechen von wirklich langen Zeiten) in hauptsächlich maritimer Umgebung einige mächtige Sedimentschichten aufbauten, die dann gehoben und schräg gestellt wurden und im Laufe der nächsten 250 Millionen Jahre Erosionsprozessen unterworfen waren.(250 Millionen Jahre, also etwa dreimaleinhalb mal so lang wie die Zeit seit dem Aussterben der Dinos) Nach diesem Erosions-Intermezzo sank diese Region wieder ab und auf die schräg gestellten Schichten lagerten sich neue Sedimente auf, immer wieder unterbrochen von durch Erosion oder Klimaänderungen geprägten Zeitabschnitten. 
Selbst der Nicht-Geologe erkennt die verschiedenen Farben der Schichten, ahnt die unterschiedliche Härte der Schichten anhand der Steilstufen und erkennt auf der Nordseite des Canyons die Schrägstellung der Schichten im unteren Bereich.
Als sich dann vor lächerlichen 17 Millionen Jahren das Colorado-Plateau hob, verblieben zunächst die nicht verdunsteten Niederschlagsmengen in einem Binnensee auf diesem Plateau. In Folge des Absinkens des Golfes von Kalifornien vor 5 Millionen Jahren bahnte sich das Wasser einen Weg entlang einiger Bruchlinien im Plateau, der Colorado entstand.
Mit der Eiszeit und dem dadurch niederschlagsreicheren Klima verstärkte sich die Erosion und "bereits" vor 1 Millionen Jahren hatte der Gran Canyon im Wesentlichen seine heutige Gestalt angenommen.

Und jetzt einige kümmerliche Versuche, die Großartigkeit dieser Landschaft in Bilder zu fassen.






Interessant auch dieses Bild.
Man erkennt ein Stück eines Pfades zum Grund des Canyons. Die Idee, den von hier oben nicht sichtbaren Colorado richtig "anzufassen", nimmt Gestalt an.  Eine Hinweistafel zeigt Wanderpfade im Bereich des Gran Canyon Villages und es zeichnet sich die Möglichkeit ab, auf dem im Bild dargestellten Pfad abzusteigen und auf einem anderen Weg wieder den Canyon zu verlassen. Die Startpunkte beider Wege liegen unweit von Haltestellen des Busnetzes im Umfeld des Gran Canyon Villages.


Am Folgetag mache ich mich auf die Wanderung.

(1) Abstieg auf dem Bright Angel Trail (ca 13km lang, 1350 Höhenmeter)

Es gibt auch die "faule" Variante (aber wahrscheinlich nur bis zur halben Höhe).


Die obere Schichtenfolge ist durchwandert, die neue Schichtenfolge ist etwas härter und bildet ein Plateau. An einigen Stellen tritt Sickerwasser aus den obere Schichten zu Tage. Hier im Bereich des "Indian Garden" wurde vor langer Zeit tatsächlich saisonal Landwirtschaft betrieben.

Solche Hinweise finden sich mehrfach im mittleren und oberen Bereich des Wanderweges. Offenbar unterschätzen einige Wanderer, dass nach dem nicht unanstrengenden Abstieg noch der wirklich kräftezehrende Anstieg wartet.

Die weißen Flecken in den oberen Steilwänden sind Schneereste, hier auf halber Höhe hat der Frühling Einzug gehalten.

Ab dem "Indian Garden" gibt es spürbar weniger Wanderer.



Vom Colorado ist immer noch nichts zu sehen ...
... aber um die Linkskurve herum ...
... ist der Canyongrund nur noch 200m entfernt.




(2) River Trail (ca 4km flussaufwärts)

Hier operieren einige Anbieter für Mehrtages-Raftingtouren.

Silver- und Black-Bridge. In der oberen Bildmitte eine etwas heller gefärbte Felsspitze, der sogenannte Isis-Tempel.

Über die Silverbridge ans Nordufer ...
 ... und zurück über die Blackbridge.

Zwischen beiden Brücken liegt der Schwemmkegel des Bright Angel Creek.

Auf dem Schwemmkegel lag eine Indianersiedlung, Archäologen haben Fundamentreste der Hütten freigelegt.
Hier hatte ich meine Mittagspause - unter Beobachtung.


(3) Aufstieg auf dem South Kaibab Trail (ca. 11,5km lang, 1450 Höhenmeter)

Während der Bright Angel Trail auf einen alten Indianerpfad zurückgeht, ist der South Kaibab Trail erst 1926 fertiggestellt worden. Ausgangspunkt dafür war der Umstand, dass ein Herr Cameron einen Claim auf dem Bright Angel Trail erworben hatte und von jedem Wanderer 1$ Durchlassmaut verlangte. Die Verhandlungen mit der Verwaltung des 1919 geschaffenen Nationalparkes zum Ankauf dieses Claims waren offenbar wenig erfolgreich, so dass in vergleichsweise geringer Entfernung ein weiterer Weg zum Fluss angelegt wurde, um den Besuchern die Maut zu ersparen. Zwei Jahre nach Eröffnung des neuen Trails konnten sich dann beide Parteien gerichtlich einigen und nun stehen dem Wanderer beide Möglichkeiten offen.

Links neben dem Colorado ein Stück des River Trails.

Und - erkennt Ihr ihn wieder ...
... den Isis Tempel? Natürlich, es ist die prominente hellgefärbte Felsspitze. Von dieser Spitze gibt es gleich noch weiter Bilder aus unterschiedlicher Höhe.

Hier etwa auf Höhe der härteren, plateaubildenden Schicht, auf der auch Indian Garden liegt.

Ich weiß nicht, warum dieser Name gewählt wurde.

So etwa in diesem Bereich ...
... zeigt sich, dass ich den Wasser- und Salzbedarf auf der Tour unterschätzt habe. Wasser habe ich zwar sicherheitshalber an einer Zapfstelle im Canyongrund nachgefüllt, das chlorige "Schwimmbadwasser" wollte ich aber nur im Notfall trinken - am Ende sind die Flaschen leer. Mit dem Wasser habe ich in Mengen Salz ausgeschwitzt (das Shirt ziert eine schöne "Landkarte"), jetzt fehlen die Mineralien und ich balanciere am Rande eines Muskelkrampfes. (Zurückgekehrt bekomme ich eine von Juttas Magnesiumtabletten - und alles ist gut.)

In der Nähe des "Aah-Ohh-Point".

Nur wenige Meter unterhalb des Canyonrandes.


Es ist wieder frisch, oben am South Rim, für mich Handschuhwetter. Unten im Canyongrund war es ca. 20° wärmer. Nicht nur eine Temperaturstaffelung lässt sich beobachten, auch der BMI ist höhenabhängig. Das Klischee vom übergewichtigen US-Amerikaner findet am Canyonrand reichlich Bestätigung, am Canyongrund hingegen trifft man nur wenige aber durchgehend sportliche Wanderer.
Der Bus bringt mich in die Nähe des Startpunktes. Ich muss zum Glück nicht lange warten, bis Jutta von ihrer Wanderung kommt und ich mich im Camper zu einer Pause betten kann.

Vor der Abfahrt zum Campground nach Tusayan fahren wir für die letzten Sonnenstrahlen dieses Tages in die Nähe des oberen Teilstücks des South Kaibab Trails (dünn rot markiert).



Eine geile Wamderung. Ich habe Lust, den Gran Canyon zu queren. Das wäre dann eine Zweitageswanderung (mindestens) mit Zelt und Rucksack. Ich hoffe, ich kann das als Rentner noch schaffen ...


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