Mittwoch, 22. Mai 2019

im niederen Norden

Es geht in den Norden.  In den hohen Norden?
Nö, passend wäre eher "es geht in den tiefen Norden". Oder in den "niederen Norden" - da im Deutschen bei Beschreibung der geographischen Breite hoch und nieder gegenübergestellt werden. Jedenfalls nähern wir uns dem Äquator.

Etwa 220 Autokilometer nordwestlich liegt Cape Reinga, zwar nicht tatsächlich der nördlichste Punkt Neuseelands aber doch empfunden als Abschluss Neuseelands in Richtung Norden.
Ein mystischer Ort für Maoris. Hier ist man am nächsten der Urheimat, aus der vor etwa 800 Jahren die Siedlerboote Neuseeland erreichten. Und hier verlassen die Seelen der Verstorbenen Neuseeland in Richtung eben auf diese mythische Urheimat.

Cape Reinga ist weit - und für uns eben nur ein Ort. Wir begnügen uns mit den ersten 90 Kilometern auf dem Weg zum Kap.

Zunächst finden wir Bekanntes. Die Haruru-Falls hatten sich gestern aus der Kajakperspektive präsentiert.

Oberhalb der Fälle ändert sich schlagartig der Charakter des Flusses. Der Gezeiteneinfluss fehlt, das Flussbett ist schmaler, flacher und an den Ufern finden sich keine Mangroven. 
Dafür gibt es hier ein Frauengefängnis mit einer Zelle ...
... und regelmäßigem Freigang.


Auf zum nächsten Ziel.
Fahren ...
... und Parklücke nicht getroffen.
Allerdings war überreichlich Parkraum vorhanden, niemand außer uns wollte die Touristinformation besuchen.  Zu Saisonende ist der Andrang überschaubar.

Mangonui (so der Name unseres neuen Unterkunftortes) hat einen sehr schön gelegenen Naturhafen (was ihn für die ersten europäischen Siedler interessant machte) und einen sehr schönen Hügel (was ihn für mich interessant machte).
Und so ein Huckel ist ist ja dafür geschaffen, um bestiegen zu werden. Ein Blick auf die oben eingelassene Plakette zeigt: Der Aufstieg trug keinen Expeditionscharakter.
Schöne Blicke bieten sich jedoch allemal von hier oben.


An den deutlich erkennbaren Terassen ist abzulesen, hier befand sich ein "Pa", eine mit Palisaden und Erdwällen befestigte Maori-Siedlung. Keine dörfliche Dauersiedlung, sondern ein geschützter Rückzugsort bei kriegerischen Auseinandersetzungen. Von denen gab es offenbar reichlich, der (männliche) Maori sah sich in erster Linie als Stammeskrieger.
Während der Neuseelandkriege zeigten sich die Pa sogar geeignet für die Verteidigung gegen britische Infanterieangriffe, selbst gegen Beschuss mit leichter Artillerie boten sie hinreichenden Schutz.
Als der Hügel 1882 zum Vermessungspunkt eingerichtet wurde, lagen die letzten Auseinandersetzungen der Neuseelandkriege etwa 10 Jahre zurück. Daher dürfte der Herr Neumann (siehe Plakette) sicher noch deutliche Reste des Rangikapiti-Pa vorgefunden haben.

Und so bietet sich der Rangikapiti-Hügel (roter Pfeil) von einem der hiesigen Strände den Blicken dar.
Auch für die entgegengesetzte Richtung gilt: viel Strand, wenig Mensch.


Etwas außergewöhnlich ist dies, ...
... kein Baumwipfelpfad, sondern Teil unserer Unterkunft.

Die Gestaltung im Inneren verstärkt die Vorstellung, unsere Gastgeber seien Althippies. Bemerkenswert auch die Griffe für die Toilettenspülung.




Der nächste Tag sieht uns - einer Empfehlung unserer Gastgeber folgend - unterwegs nach Karikari, einer weitgehend flachen Halbinsel mit fantastischen Stränden.

Strandpendeln, wir besuchen vier der Strände, jeder hell und feinsandig.





Wir finden eine botanische Rarität ...
... und einen "Zauberwürfel" mit Briefschlitz.


Immer wieder lockt "Puwheke" ...
... mit 132m nicht sonderlich hoch, aber ein exponierter Hügel.

Der Weg dorthin ist nicht ganz einfach zu finden, die Wegbeschaffenheit dürfte dem Auto auch nicht wirklich "schmecken", doch das muss zurückstehen, wenn man den Besuch des herrlichen Badestrand ...

... mit der Huckelbesteigung (ganz oben ein Zeichen des hiesigen Maori-Stammes) ...
... und den Blicken nach rechts ...

... und links ...
 kombinieren kann.
Ein genauerer Blick nach links zeigt, dass der Strand nicht vollkommen menschenleer ist ...
... und ein noch genauerer Blick würde zeigen, dass dort meine Holde ihre zarten Füße vom Pazifik umspülen lässt.



Umweltkatastrophe?
Foto mit Farbfehler?
Leck im Biertank?
Das Letzte trifft es am ehesten. Lake Rotopokaka ...
... wird auch als Coca Cola See bezeichnet. Die Färbung rührt aber wohl von den Tanninen der Ufervegetation her.
Ein Einheimischer, frisch dem Wasser entstiegen, preist die Wirkung. Samtige reine Haut soll es geben.  Da er aber von Faltenstraffung nichts gesagt hatte, verzichten wir.  Zudem - ein Bad, bei dem man nicht einmal bis zum Bauchnabel blicken kann, ist mir etwas suspekt.


Am nächsten Tag wechseln wir von der Ost- zur Westküste. Vom Pazifik zur Tasmansee.



Des Namens wegen besuchen wir den Anfang des 90-miles-beach.
Von hier aus kann man fast bis Kap Reinga auf dem Strand fahren. Allerdings wäre die Bezeichnung 90-km-beach angemessen, auf 90 Meilen kommt man nur bei einer Fahrt in Schlangenlinien. Übrigens verbieten das die Mietbedingungen für das Leihauto - sowohl das Fahren unter Alkoholeinfluss als auch explizit die Befahrung des 90-miles-beach.


Der Weg entlang der Westküste nach Auckland kreuzt Hokiango Harbour ...
... ein Sound, also ein "ertrunkenes" Flusstal. (Das Bild zeigt höchstens etwa ein Viertel der Gesamtlänge des Harbours.)

Erfreulicherweise müssen wir nicht selbst schwimmen, Kohu Ra Tuarua hilft uns ...
... und entlässt uns in Rawene.

Rawene ist auch der nächste Unterkunftsort, genauer gesagt ist es der dortige Campground.
Rawene dürfte die drittälteste europäische Siedlung auf Neuseeland sein. Davon merkt man nicht mehr viel, im Wesentlichen ist es ein Straßendorf mit Fähranleger. Bis etwa 1900 war der Ort ein Zentrum der Holzindustrie. Die Umgebung von Hokiango Harbour wurde entwaldet und das Holz von hier aus verschifft. Im Bereich des ehemaligen Hafens finden sich noch Reste einer Sägemühle.

Blick aus unserer "Cabin" auf Hokiango Harbour.
Und ein weiterer Blick aus unserer Cabin ...
... allerdings am nächsten Morgen. Dazwischen lagen eine Ortsbegehung in Rawene mit Besuch eines Mangrovenpfades (im Bereich des ehemaligen Hafens) ...

... und ein Sonnenuntergang.



Kurz nach der Abfahrt vom Campground, der Nebel lichtet sich ...

... wir erreichen bald den Ausgang des Hokianga-Harbours zum Meer ...
... und auf kurzem Fußweg ...
... den Ort der ehemaligen Signalstation.

Hierzu gibt es eine hübsche Geschichte. In den wilden 1830er Jahren ankerte ein Segelschiff, schwer beladen mit Holz vor dem Ausgang von Hokiango Harbour. Ein Maori-Mädchen schwamm zum Schiff und warnte die Besatzung vor den Untiefen (im Bild erkennt man 3 solcher Stellen). Einer der Seemänner ward ob der Hinwendung und Schönheit der jungen Dame so entzückt, dass er (erfolgreich) um ihre Hand anhielt und mit ihr eine Familie gründete. Auf diese Familie ist der Bau der Signalstation in 1837 zurückzuführen. Alle Wärter der Signalstation bis zur Einstellung des Betriebs im Jahr 1951 entstammen dieser Familie.
Gern glauben wir den romantischen Teil der Geschichte. Wenn es eine Seelenwanderung gibt, dann blicken Maori-Arielle und erretteter Seemann wahrscheinlich von dort oben ...
... auf die Touris an der ehemaligen Signalstation.


Auf dem Weg nach Auckland ...
... wartet noch ein Besichtigungs-Muss.

Das "Unfotografierbare" ...
... ist hier natürlich nicht die junge Dame, sondern "Tane Mahuta", der "Lord of the forest". Seinen Namen trägt er nicht zu Unrecht. Es ist wohl der mächtigste Baum, den ich bis zu Zeitpunkt gesehen hatte. Unfotografierbar, da ein Bild ...
... nicht wirklich den Eindruck wiedergeben kann, den man am Ort des Baumes gewinnt.

Aber Tane Mahuta ist gefährdet. Etwa 2000 Jahre soll er alt sein, hat erlebt, wie zu seinen Füßen längst ausgerottete Moas durch den Wald spazierten, war schon ein Baumriese, als die ersten Maori Neuseeland erreichten und wurde zu seinem Glück erst 1928 von Europäern entdeckt und entging somit der Axt des Holzfällers. Jetzt aber droht ihm ein Schicksal wie diesem Kauri.
Ein Pilz gefährdet die verbliebenen Kauri-Bestände. Daher hat sich der Besucher von Tane Mahuta einer Desinfektion des Schuhwerks zu unterziehen.
Und wer offenes Schuhwerk trägt, der freut sich über die kostenlose Fußpilzvorhersorge.


Noch ein letztes Mal auf dieser Tour lassen wir uns von einem Wegweiser "lookout road" auf eine Gravel-Road locken ...
... und erhalten tatsächlich einen schönen Blick über den Kauri-Wald (auch wenn Kauris nur einen sehr kleinen Teil des Bestandes ausmachen).



Ab jetzt lassen wir uns vom Navi auf kürzestem Wege leiten.


 Noch einmal wird ein Harbour sichtbar ...
... aber das ist schon ein Stück des mächtigen Kaipara Harbours, es ist nicht mehr weit bis Auckland.




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