Sonntag, 28. April 2019

Surfer und Vögel

Nachtaktiv und scheu, so ist er der typische Neuseeländer.
Hört auf den Namen Kiwi und ist wenig anschmiegsam beim Kuscheln. Gefährlich ist er obendrein, sein Schnabel wird sicherheitshalber mit einer Stahlkrampe am Boden fixiert.

Nun ja, über die Kuscheligkeit der Neuseeländer kann ich tatsächlich wenig Auskunft geben.
Einen echten Kiwi-Vogel haben wir allerdings zu Gesicht bekommen. Und zu Gesicht bekommen trifft es auch besser als gesehen - und zwar im "native bird park" des Ortes Otorohanga.

Eintritt bezahlt, ein paar Volieren mit durchaus beeindruckenden Piepmätzen bewundert und dann durch eine Doppeltür in einen dunklen Raum.
... Ja, hier müssen außer uns weitere Leute sein, man hört deren Gespräche. Nach einiger Zeit erkennt man die Umrisse, nimmt das durch eine Glasscheibe abgetrennte Kiwigehege war. Nach und nach gewinnen die Umrisse an Individualität. Eine Parkführerin erzählt wortreich wieder und wieder, dass der Kiwi wahrscheinlich in diesem oder jenem Teil des Geheges ruht und jeden Moment hervorkommen wird. Das Geschwafel ist etwas lästig, ich kann den Kiwi gut verstehen, der unentdeckt im hinteren Gehegeteil verbleibt.
Glücklicherweise bricht der Redeschwall ab - die Parkführerin will ihren Kunden zunächst noch andere Vögel zeigen und verlässt mit diesen Gästen den Raum.
Wir starren weiter angestrengt ins Dunkle. Bald sieht man Bewegungen, wo keine sind. Erst als sich der Kiwi tatsächlich aus der Deckung bewegt, ist alles klar. Er läuft etwas hin und her, steckt seinen Schnabel verschiedentlich in den Boden, bleibt immer mal wieder stehen und wird dadurch so gut wie unsichtbar. Nichts wirklich Aufregendes, aber da man für diesen Anblick soviel Geduld aufbringen muss, ist es doch irgendwie spannend.


Die ersten Insassen des Vogelparks gehen schon zur Ruhe ...
... wir haben noch ein Stück zu fahren und erreichen kurz vor Sonnenuntergang unser Ziel - einen breiten Surferstrand ...
... mit angeschlossenem Ort, Raglan.

Für den Nicht-Surfer gibt es hier natürlich auch etwas zu erleben. Zunächst erzeugt die morgendliche Reinigungsorgie Glücksgefühle ...
... dann kann man den Blumen beim Blühen ...
... den Surfern beim Surfen ...
... den Gaffern beim Hin- und Zurückgaffen ...
... dem Wasser beim Entwässern ...
... und der erstarrten Lava beim Erstarrt Sein ...
... geduldig zusehen.

Die Fahrt zum Startpunkt einer Wanderung führte zu diesem sehr schönen Aussichtspunkt an der Steilküste.
Die Wanderung selbst entfiel. Nach so viel gelduldigem Zusehen (wie zuvor geschildert) waren nicht mehr alle Familienmitglieder davon überzeugt, dass die Zeit noch für eine Wanderung reichen würde.


Auf dem Weg nach Auckland ein kleiner Hinweis auf einen "point of interest".  Wir folgen einem Bach ...
... ganz hübsch, aber nichts Besonderes.
Und dann findet der Bachlauf jäh ein Ende ...
... das Wasser stürzt sich über 54m in die Tiefe.
An Wasserwucht und Höhe gab es sicherlich beeindruckendere Fälle auf unserer Tour, jedoch fiel nirgends das Wasser so schön in das selbst geschaffene Tosbecken.




Warum nun  schon wieder Auckland?     Die Vorhersagen verkündeten Schreckliches. Nicht Erdbeben, nicht Seuchenausbruch, nicht Meteoritenfall - schlimmer noch!   Zu erwarten war der Durchzug eines Regengebietes. Bei einem Teil der Familie kamen Panikgefühle auf. Im urbanen Umfeld (so die Mutmaßung) war man am Besten vor den dräuenden Fluten geschützt.

Und tatsächlich, ein Ausflug zu einem Strand nahe Auckland führte zu einer untergehenden Brücke ...
... und einer fast versunkenen Hinweistafel.

(Während die Überschwemmung des Steges der offenbar besonders hohen Flut zuzuschreiben war, gibt die Lage der Hinweistafel ein schönes Beispiel für die erosive Wirkung des Meeres.)


Unser zweiter Ausflug von Auckland aus führte uns zu einem weiß gesprenkelten Felsen ...
... zu einem schwarzen Kaninchen (am oberen Bildrand) ...
... und zu noch mehr "weißen Sprenklern".


Einer der "Sprenkler" wird hier gerade von seinem Nachkommen um erbrochenen Fisch angegangen.
Und wer dem Altvogel in die Augen blickt, sieht dieses schöne Blau. Also eine Basstölpelkolonie ...
Weit gefehlt. Natürlich wissen wir alle, es handelt sich um Australotölpel. Allerdings ist der Unterschied wirklich nicht auf den ersten Blick zu erkennen. Immerhin wird ja auch diskutiert, Bass-, Kap- und Australotölpel als Allospezien der Superspezies Basstölpel aufzufassen, Hybridisierungen sind offenbar möglich.   (So weit das angelesene Protzwissen.)

Schließlich noch eine Bank mit anrührender Geschichte.
Nicht umsonst sind Sitzfläche und Rückenlehne einem Surfboard nachempfunden.
Dem Nutzer der Bank wird ans Herz gelegt, einen Moment einem Surfer zu gedenken, der an diesem Strand über 25 Jahre "sein" Revier hatte. Nach seinem Tode errichtete die Familie an Stelle eines Gedenksteins diese Bank. 

Sonntag, 21. April 2019

29:0 und 13:3

Ach ... das Auge tränt. Abfahrt aus Tongariro. Irgendwie werde ich etwas melancholisch, wenn ich die Berge verlassen muss.
Und da wartet noch der Ruapehu, höchster Berg der Nordinsel.
So wie beim Mount Ngauruhoe wird der Aufstieg zwar nicht propagiert - wohl auch mit Rücksicht auf die lokalen Maori, die dem Gipfel eine spirituelle Bedeutung zumessen (und den Aufstieg gern kostenpflichtig durch ihre Guides leiten lassen). Aber Jerome hat uns versichert, dass der Aufstieg keinesfalls verboten ist.

Nun ja, die schöne Landschaft auf dem Weg zu unserem nächsten Ziel New Plymouth entschädigt etwas.




Und es gibt wieder von einigen Besonderheiten zu berichten.

Truthähne gehören nicht zur ursprünglichen Vogelwelt Neuseelands, haben aber offenbar den Weg von einer Farm in die Freiheit gefunden und vermehren sich prächtig.
 In dieser Region sind uns mehrfach Trupps dieser Vögel wie hier vor die Räder gelaufen.

Der gleichmäßige "Beschnitt" dieses Baumes nach unten hin entspringt keiner Laune der Natur, ist aber auch nicht direktes Menschenwerk.
Vielleicht ahnt Ihr es schon, die sonst als Weidegänger bekannten Rinder, des Gras-Einerleis überdrüssig, haben hier offenbar exotische Genüsse gesucht.

Und dann DAS:
Weil's so schön war noch einmal:


Schließlich ist die Küste erreicht, ab jetzt schlängelt sich die Straße in Ufernähe.
Ohnehin ist es Zeit, eine Pause einzulegen, wir folgen dem Hinweisschild zu den "Three Sisters".
Zunächst zeigt sich eine Sammlung von Schuhwerk.
Furcht macht sich breit - wo sind nur die Träger dieser Fußbekleidung verschollen.

Dann ein breiter Strand am Mündungsästuar des hiesigen Flusses - nicht schlecht, hatten wir aber schon besser.

Ein Ei, hatten wir auch schon in Moeraki, aber hier hat jemand versucht die Schale abzupellen.


Und dann, wahrhaft walkürenhaft die mächtigste der drei Schwestern, lässt ihr grünes Haar wallen und bewacht den Zugang zu ihrem Steingarten.
(Etwas mehr Grazie würde der Dame gut tun, aber das sagen wir natürlich nicht laut, um sie nicht zu erzürnen.)

Und ihr Steingarten hat Einiges zu bieten, das Cathedral Cove / Cave nicht nachsteht:



Heldenhaft habe ich mich nur für Euch durch einen der Durchgänge gewagt, immer mit der Befürchtung, die Schwestern könnten ihren Gleichmut aufgeben und das Gewölbe über mir einstürzen lassen.

Am Ende ging alles gut, nur die Füße waren reinigungsbedürftig.


New Plymouth kündigt sich an, mit seinem Wahrzeichen, das Haupt noch in Wolken verborgen ...
... und nach dem Einchecken in unserer Airbnb-Unterkunft bei Evelyne auf dem Weg zum Visitor-Center in voller Schönheit ...
... Mount Taranaki.

Ihr ahnt es, der "will da rauf"-Reflex war geweckt. Und so bin ich meiner Holden immer noch dankbar, dass sie sich am Folgetag mit Strandspaziergängen in New Plymouth abspeisen ließ, während ich das MietKFZ zum Visitor-Center bewegte ...
... um von dort den Aufstieg bei besten Bedingungen zu beginnen.

Bald war die praktisch vegetationsfreie Zone erreicht und an den steilen Geröllhängen des Vulkans wartete der kräftezehrendste Teil des Aufstiegs.
 Drei Schritte vorwärts und ein Rutscher zurück trifft es so ungefähr.
Ich habe mir erlaubt die Anzahl der Überholten der Zahl der Überholenden gegenüberzustellen. Am Gipfel stand es 29:0 für mich. (Irgendwie muss man sich ja mal selbst auf die Schulter klopfen.) Besondere Genugtuung hat es mir bereitet, zwei etwa 25-jährige deutschsprachige Männer zu überholen, die viel Widerstand leisteten und wie man ihren Benmerkungen entnehmen konnte, sich nicht einem älteren Herren geschlagen geben wollten.

Wir Ihr seht, verwehrte mittlerweile eine dichte Wolkendecke den Blick auf die darunterliegende Ebene ...
... nur weit in der Ferne ein Huckelchen. Das konnte nur der Ruapehu sein, in ca. 130 km Entfernung. Ein genauerer Blick zeigt links neben dem Ruapehu die Spitze des Ngauruhoe.

Nach ein wenig leichter Kletterei ist der schneegefüllte Krater erreicht ...
... allerdings kein weicher Schnee, sonndern durch tauen und frieren verfestigter Schnee, man darf beim Betreten nicht unvorsichtig sein, sonst droht ein Abrutschen.

Schließlich ist der Gipfel erreicht. Der Blick in Richtung Meer ...
... und entgegengesetzt in Richtung Ruapehu.
Jetzt sieht man sogar links vom Ngauruhoe den langestreckten Gipfelbereich des Tongariro.

Der Abstieg (hier mit Wolkenloch über New Plymouth) ...
... ist rein ehrgeiztechnisch nicht mehr so erfolgreich. Am Ende steht es 13:3 immer noch zu meinen Gunsten. Die jungen Männer können ihren Knien eben einfach mehr zumuten.

Nach Durchstoßen der Wolkendecke wartet am Ausgangspunkt getreulich das Fahrzeug.
Später bei der Ankunft in New Plymouth haben sich die Wolken aufgelöst.


Der Taranaki ist mit seiner Alleinlage ein wirklich außergewöhnlich schöner, ja erhabener Berg. Der Aufstieg hat aber nicht mein Herz berührt.
Vielleicht müsste man so aufsteigen, dass man von oben den Sonnenaufgang erleben kann. Aber das wäre eine ganz ganz andere Geschichte.