Donnerstag, 21. März 2019

der erschöpfte Ausschöpfer

"Oh nein" ...
... mag man auf den ersten Blick denken. Das Unfallopfer liegt noch unter dem Fahrzeug, der Fahrer hält hilfesuchend Ausschau nach dem Rettungswagen.
Tatsächlich ist die Situation zwar nicht erfreulich, wendet sich aber gerade zum Besseren. Doch dazu später.


Wir haben die Marlborough-Sounds verlassen und sind unterwegs Richtung Süden, wieder Richtung Hanmer Springs, mit einer Zwischenübernachtung irgendwo in Straßennähe. Einige Bilder von der Strecke.




Man mag sich fragen: Warum ist gerade Hanmer Springs der Zielort, hier waren die Beiden doch bereits?   Nun, beim ersten Aufenthalt hatten wir eine Karte mit Wanderwegen der Umgebung erworben, die mangels geeignetem Wetter nicht zum Einsatz kam - und die 3 Neuseelanddollar sollten doch nicht ungenutzt bleiben. (Entscheidungen sind eben nicht immer rational begründet ...)
Im Ort fahren wir wieder den selben Campground an, der Stellplatz ist diesmal etwas besser gelegen, der Einstieg zur Wanderung befindet sich natürlich immer noch direkt vor dem Campground. Wobei, es ist kein Einstieg, sondern eine Einfahrt. Die ersten 500 Höhenmeter schleppt uns unser Camper auf einer Gravel-Road aufwärts, danach kann er sich erholen, die restlichen 500 Höhenmeter sind für ihn nicht zu bezwingen.
Ziel ist Mount Isobel, dahin führt eine "hübsche", blickreiche Wanderung.
Der Gipfel ist zwar nur 1316m hoch, damit aber der höchste der Umgebung und diente daher als Vermessungspunkt.
Temperaturen und Sicht passen, nur der Wind bläst ausgesprochen heftig, lässt die Haare fliegen ...
... und selbst Treckingstöcke schräg baumeln.

Wir verlassen Hanmer Springs ...
... und überwinden eine sehenswerte Brücke unmittelbar vor dem Erreichen der Hauptstraße.


Justament beim Einbiegen auf die Hauptstraße ändert sich schlagartig der heitere Gemütszustand. Ein "böses" Geräusch, unüberhörbar. Sofort ist klar, der Camper hat ein Problem. Links 'ran, aussteigen. Irgendetwas schleift der Camper hinter sich her, ein Rohr, Mist, der Auspuff.
Es hätte schlimmer kommen können. Wäre das Rohr an einem Hindernis hängen geblieben, hätte es sich verbogen und an der Fahrzeugunterseite aber so richtig Schaden angerichtet.
Klar ist, es geht so nicht weiter. Und das am Vorabend zum Waitangi-Day, einem der wichigsten neuseeländischen Feiertage. Wen soll man jetzt noch erreichen, wer kann helfen?

Unmittelbar nach diesem Ereignis hält hinter uns ein PKW mit zwei jungen Männern. Wahrscheinlich haben sie den Auspuff auf den letzten Metern noch schleifen sehen. Sie bieten sofort ihre Hilfe an. Eine einfache Lösung gibt es aber nicht.
Der Anruf beim Vermieter bleibt erwartungsgemäß ohne Erfolg, wir werden auf die Büroöffnungszeiten verwiesen. Bleibt noch der Anruf beim AA-Roadservice (vergleichbar mit unserem ADAC). Den übernehmen unsere beiden Helfer ...
... beschreiben den Standort, unser Problem und finden unsere Registriernummer für den Roadservice im Mietvertrag. Über eine halbe Stunde nehmen sie sich Zeit.
Wie fast erwartet lehnen sie es ab, dass wir ihnen etwas zukommen lassen. Für sie ist es "Kiwi-Hospitality". Vielen, vielen Dank.

Wir warten auf den Roadservice, warten.
Langsam macht sich die Befürchtung breit, dass sich vor dem Feiertag niemand mehr blicken lässt.
Die Aussicht ist zwar beeindruckend ...
... zerstreut aber nicht unsere Sorgen.

Und dann hält hinter uns ein unscheinbarer PickUp, der Fahrer kommt ganz leger daher, stellt sich als AA-Mitarbeiter vor und begutachtet kurz den Schaden.

Tja, er könnte uns zurück nach Hanmer Springs nehmen, die Unterkunft zahlt der Vermieter. Morgen wird der Camper abgeschleppt und in Hanmer Springs repariert, wahrscheinlich aber erst nach dem Feiertag?
Das ist leider großer Mist, wir müssen wohl beide sehr unglücklich ausgesehen haben. Jedenfalls zieht sich unser "gelber Engel" dann doch seine schwarze Montur über ...
... krabbelt unter das Auto und versucht eine Notreparatur.
Mit Rödeldraht und Kabelbinder ...
... wird der Auspuff provisorisch an der Fahrzeugunterseite befestigt. Wir sollen vorsichtig fahren (versprechen wir) und dann sollte es bis zur Fahrzeugrückgabe in drei Tagen funktionieren.
Nun wissen wir, Auspuff heißt auf Englisch Exhaustor. Rückübersetzen lässt sich das auch zu Ausschöpfer - und der (bzw. dessen Aufhängung) war offenbar nach mehr als 400.000 Fahrkilometern erschöpft.

Die Weiterfahrt Richtung Christchurch beschert uns einige wirklich spektukaläre Himmelsfärbungen.



Gegen Mitternacht erreichen wir das angepeilte Ziel, ein freier Campground an einem Seeufer.   Der Folgemorgen zeigt Bedrohliches ...
... das Wassergetier scheint es nicht zu stören.

Wir sind in der Nähe von Akaroa, einige Kilometer weiter öffnet sich nach Überwindung der Passhöhe der Blick auf den schönen Golf von Akaroa.

Zwei Kreuzfahrschiffe sind in den Golf eingelaufen, am Folgetag werden die Shuttleboote hin- und herfahren, Akaroa wird morgens voll von Touristenbussen sein, die für Tagesausflüge gebucht wurden.
Auch im Ort selbst wird es mehr Besucher geben. Jetzt ist alles noch eher beschaulich und inspiriert Künstler.


Die Umgebung des Ortes scheint für Wanderwillige gut erschlossen zu sein. Wir wählen nur eine kleine Tour ...

 ... auf einen der hiesigen Huckel. Nichts besonderes und trotzdem gut.


Von Akaroa ist es nicht weit bis Christchurch.

Wir fahren vom in den Außenbezirken gelegenen Campground mit dem Bus ins Stadtzentrum. Für uns als Kurzbesucher fühlt es sich so an, als hätte das Erdbeben von 2011 nicht nur Menschen getötet und die Innenstadt verwüstet, irgendwie scheint der Stadt die Seele zu fehlen. In welcher Großstadt sonst ist es möglich, dass auf dem zentralen Platz ein "Durchgeknallter" den Weltuntergang verkündet und seine Botschaft überall auf dem Platz zu hören ist.
Die Zerstörungen sind nur noch präsent an wenigen Gebäuden, die erhalten bleiben sollen, der Rest wurde abgerissen.


Ansonsten wird viel neu gebaut, aber das sieht eher nach Bürogebäuden aus.
Die zentrumsnahe Region um den Avon-River ist neu gestaltet.
Hier befindet sich unter anderem die Erinnerungsstätte zum Erdbeben ...
 ... und hier bemerkt man am ehesten so etwas wie städtisches Leben.
Sehr schön sind die rekonstruierten Straßenbahnen. Sie dienen nicht direkt dem Nahverkehr sondern der touristischen Erschließung der Innenstadt.


Tschüss, Campervan.
Gestartet sind wir mit ca. 414.000 km, zurückgegeben haben wir dich mit etwa 6000 km mehr. Du warst laut, dieseldurstig, ausreichend schnell und (für uns) wartungsfrei. Nicht alles an deiner Ausstattung war wie erwartet, aber du hast funktioniert und uns über 6 Wochen eine Heimstatt gegeben. Das Problem mit dem Auspuff verzeihen wir gern, du bist ja auch schon ein alter Knabe. Mögen unsere Nachfolger dich gut behandeln.


Wir verlassen die Südinsel.



Montag, 18. März 2019

Soundcheck

"Was der Alte wieder hetzt. Der Weg zum Aussichtspunkt ist mit 10 min beschrieben, es gibt aber auch einen Rundweg, veranschlagte Zeit mehr als eine Stunde - und wo entlang werde ich getrieben ... "
So die möglichen Gedanken der Dame, die hier ihre schmerzenden Knien betrachtet ...
... sich dann der Aussicht widmet ...
... um anschließend der Situation (wenigstens für das Foto) das Beste abzugewinnen.
Wir bewundern hier einen kleinen Abschnitt der Marlborough-Sounds.

Mit Sound ist in diesem Fall nicht das Geräusch gemeint, das langjährige Raucher einer ähnlich klingenden Zigarettensorte beim Atmen erzeugen. Sounds sind vielmehr Flusstäler an einer überfluteten Küste, "ertrunkene" Flusstäler. Also anders als die durch Gletscher ausgeschobenen Fjorde eher flach.
"Moment mal" sagt der aufmerksame Leser, was ist dann mit dem Milford-Sound?   Nun, hier haben wir es mit einer Fehlbezeichnung zu tun. Eigentlich müsste es Milford-Fjord heißen, nur kannten die Namensgeber aus ihrer englischen Heimat keine Fjorde und haben daher eine ihnen geläufige Bezeichnung gewählt.
Die zu den "ertrunkenen Flusstälern" zugehörigen Flüsse gibt es natürlich noch, nur dass die Unterläufe eingekürzt sind. Und so finden sich am Ufer der Sounds gelegentlich Orte, an denen die von Hochwässern mitgeführte Holzfracht abgelagert wird.

Unsere Unterkunft finden wir auf Smith Farm.
Zur Begrüßung gibt es Muffins, Pellets und ein geheimnisvolles Kärtchen.
Die Pellets sind vorrangig für die Kinder gedacht - nicht zum Verzehr, also nicht zum Futtern sondern zum Füttern. Potentielle Abnehmer gibt es auf der Farm reichlich. Begünstigter ist in diesem Fall Peter, ein Ziegenbock - und Peter frisst praktischerweise die Pellets samt Behältnis. Bevor etwas danebenkleckert, wird Jutta die Papiertüte aus der Hand gerissen und kurz darauf ist sie nebst Pellets im Ziegenmaul verschwunden.
Das Kärtchen kommt erst nach Sonnenuntergang zum Einsatz. Wir folgen dem darauf skizzierten Pfad, überwinden dabei mehrere Weidezäune und tauchen in den Wald ein. Der Weg ist nur noch mit Mühe zu erahnen, trotzdem bleiben die mitgeführten Stirnlampen ausgeschaltet. Und tatsächlich, nach geraumer Zeit entdecken wir bläuliche Lichtpunkte. Der Pfad erreicht einen Bachlauf und schlängelt sich daran empor. Ein schwaches Plätschern und Rauschen wird hörbar und verstärkt sich, je weiter wir vorankommen. Gleichzeitig wächst die Anzahl der sichtbaren Lichtpunkte.
Und dann stehen wir am Fuße eines kleinen Wasserfalls. Die obere Kante ist in der Dunkelheit kaum zu erkennen, aber hunderte Lichtpunkte säumen die Felswände, wetteifern mit dem Sternenhimmel und machen so die Konturen der Umgebung erahnbar. Ein wahrlich sehr eindrucksvolles Erlebnis.
Leider haben wir hierzu keine Fotos, unsere Knipse war eindeutig überfordert, allenfalls zeichneten sich die Lichtpunkte der "Glowworms" ab. (Die hiesigen "Glühwürmchen" gehören wie bei uns zu den Insekten, erzeugen aber ähnlich den Spinnen klebrige Fangfäden, die zusätzlich mit Lichtpünktchen ausgestattet sind.)


Was sich hier dem Betrachter darbietet, ist keine neue Lebensform ...
... sondern meine weibliche Begleitung, "angstvoll" 😏 in ihrer Schwimmweste verborgen, auf einer Kajaktour ...
 ... im Queen-Charlotte-Sound (einer der Marlborough-Sounds).
Die Bedingungen sind anfangs mehr als freundlich ...
... später frischt der Wind auf und bei der Querung des Sounds über etwa 1,5km offenes Wasser ...
... wird es ein wenig spritzig.
Zwischendurch gibt es einen Stopp am Muschelstrand ...
... viel Steilküste ...
... mehrere Inselchen ...
... und eine Picknick-, Bade- und Rumlümmelpause.

Blau in blau in blau - Meer, Himmel und Blümchen - tschüss, Queen Charlotte.




Titirangi, ein schöner Name. Der dortige Campground im Norden zwischen Queen-Charlotte und Pelorus-Sound soll abgelegen aber idyllisch sein - beide Gründe lassen Titirangi zu unserem nächsten Ziel werden.
Relativ schnell wird klar, dass die optimistische Ansage am Straßenrand ...
... nicht zu halten ist. Die Straße bietet viele bezaubernde Ausblicke ...

... ist aber schmal und ausgesprochen windungsreich. Die Durchschnittsgeschwindigkeit mit unserem 7,20m langen Camper liegt nicht über 30 km/h.
Später wird die Straße zwar weniger gewunden, dafür aber zur Gravel-Road, das ist die neuseeländischen Variante einer Schotterpiste.
 Die Durchschnittsgeschwindigkeit sinkt weiter.
Titirangi scheint immer weniger attraktiv, das neue Ziel wird der Zugang zum Mount Stokes, mit 1203m der höchste Punkt der Halbinsel. Nachdem wir unseren Campervan auf etwa 600m Höhe gequält haben, bestätigt sich unsere vorherigen Befürchtung, Richtung Mount Stokes liegt alles in Wolken, die erhofften Ausblicke sind nicht zu erwarten.
Also Kommando zurück, wir lernen die Straße jetzt aus der anderen Richtung kennen.

Und wohin jetzt? Irgendwie den Pelorus-River aufwärts auf einer Hauptstraße. Der Plan ist (es gibt keinen), irgendwo in der Nachbarschaft der Straße einen schönen Stellplatz zu finden. Wir probieren dies und jenes, biegen irgendwann rechts ab, werden aber auch dort nicht fündig, fahren trotzdem weiter, queren in der Dämmerung eine Bergkette und landen in Okiwi Bay. Wegen der nunmehr herrschenden Dunkelheit erkennen wir nicht, ob hier eine Beschränkung für Campervans existiert. Aber außerhalb des Ortes gibt es an der schmalen Bergstraße keine Parkmöglichkeit, wir stellen uns an eine Trailerrampe und hoffen auf eine strafzettelfreie Nacht. (Die Fotos sind vom nächsten Morgen.)



Der nächste Tag sieht uns wieder auf dieser Straße, wieder über eine Bergkette, wieder mit einer Passhöhe von etwa 300-400m, diesmal aber mit tollen Ausblicken.



Die Straße endet in Elaine Bay und 300m vor ihrem Ende liegt der Campground - ein Rondell, an dessen Peripherie Zelte und Campervans stehen.
Kein Stellplatz mehr frei.  Ja, man könnte sich noch irgendwo dazwischen quetschen (einige Spätankömmlinge werden das dann auch tun), doch die Mitte ist noch frei. Leicht erhöht, von allen Seiten einsehbar aber auch mit Blick in alle Richtungen. Je nach Sichtweise sitzt man auf dem Präsentierteller oder dem Feldherrenhügel. Wir entscheiden uns für Letzteres.

Eine Küstenwanderung, die Sichtweise entspannt ...
... oder hoheitsvoll ...
... und in dieser Bucht endend.
Auf jeden Fall ist die Lust geweckt, hier ...
... zu paddeln.

Passenderweise gibt es einen Kajak-Vermieter in Elaine Bay, der Typ ist unkompliziert und freundlich, die Miete für neuseeländische Verhältnisse günstig - und so starten wir am Folgemorgen auf den Pelorus-Sound (zumindest auf einen seiner Teilabschnitte).
Wir passieren eine Insel mit Lücke ...
 ... eine Installation ...
... an der man sich ein Muschel-Essen besorgen kann (nach Meinung des Kajakvermieters bei geringen Entnahmemengen ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen, etwa wie beim Mundraub) ...
... und starten mit der Querung eines etwa 2km breiten Meeresarms.

Und dann geschieht das Unerwartete.
 Die Fluke gehört zu einem Delphin ...
... einer von vieren ...
... offenbar eine Mutter mit Kalb ...
... und zwei weiteren, bei denen wir "festgelegt" haben, dass es sich natürlich nur um den Vater und das ältere, fast ausgewachsene Kind der Familie handeln kann.

Die vier sind erfreulich gemächlich unterwegs, es reicht daher, dass einer von uns paddelt, so dass der andere fotografieren kann. (Leider fand vor lauter Begeisterung die Auslöseverzögerung der Knipse keine Beachtung, somit sind fast ausschließlich Rückenpartien im Bild festgehalten.)

Wir paddeln etwa 20 Minuten mit den Delphinen, mal sind sie vor uns, mal hinter uns und manchmal tauchen sie aus der Tiefe dicht neben dem Boot auf.

Schließlich trennen sich unsere Wege, wir setzen wieder Kurs in ursprüglicher Richtung ...
... finden eine Bucht ...
... die gute Anlandemöglichkeiten bietet (das ist hier nicht selbstverständlich) ...
... und prüfen die Standfestigkeit einer der hiesigen Kiefern.

Auf dem Rückweg legen wir eine weitere Pause auf einer Insel ein ...
 ... nur etwa 2km von Elaine Bay entfernt. Aber der Ort ist so klein, man muss sich schon Mühe geben, ihn zu sehen und es ist praktisch fast unmöglich sich gestört zu fühlen. Im Vergleich zur ersten Landestelle stört nur, dass unmittelbar hinter dem schmalen Strand die Küste steil ansteigt und keinen Weg ins Inselinnere lässt.
Bei Bootsrückgabe meint der Vermieter, wir wären "lucky guys", keiner seiner Kunden hat bisher Delphine mit dem Kajak begleiten können.

Wir reisen unmittelbar nach Bootsrückgabe ab. Vielleicht hätten wir noch einen Tag auf "unserem" Feldherrenhügel mit Blick auf den Pelorus-Sound bleiben sollen.  Wie an vielen Orten, die wir verlassen haben, verbindet sich die Abfahrt mit etwas Wehmut. Aber man erfährt auf einer solch langen Reise auch, dass man immer wieder auf's Neue erhebende Momente erleben kann.

Ein letzter Blick auf einen der Marlborough-Sounds.